Grüne im Kreistag Kleve befürchten: Weniger Geld für Unterkunftskosten bei Hartz-IV und Sozialhilfe

Der Kreis Kleve ändert seine Richtlinien für die Berechnung der Unterkunftskosten von Hartz-IV-Beziehern. Das gibt der Landrat auf eine entsprechende Anfrage der Grünen zu. Die Kreistagsfraktion befürchtet, dass dies zu Einsparungen bei den Leistungsberechtigten führt.

Die Grüne Fraktion im Kreistag Kleve stellte am 21. Oktober 2015 fünf Fragen zur Konzeption und Neuberechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung für SGB-II / SGB XII-Bezieher. Mit Schreiben vom 29.10., eingegegangen am 03.11.2015, beatwortet der Landrat die Fragen.

Neues Berechnungsverfahren bei Jobcentern

Das Jobcenter des Kreises Kleve gibt zu, ab Januar 2016 die Unterkunftskosten nach einem neuen Verfahren berechnen zu wollen. Grundlage des neuen Konzepts sollen die Ergebnisse einer Mietuntersuchung der Firma empirica AG sein, um damit, so die Kreisverwaltung, "Transparenz über die Höhe und Streuung der aktuellen Mieten an den lokalen Wohnungsmärkten im Kreis Kleve zu schaffen und auf dieser Basis nachvollziehbar und systematisch Richtwerte für angemessene Kosten der Unterkunft abzuleiten". Eine erste Auswertung der Ergebnisse der Studie lägen vor.

Einsparungen bei Hartz-IV und Sozialhilfe?

Ob dadurch Einsparungen für den Kreis zu erzielen seinen, wollte die Kreisverwaltung nicht beziffern. Dazu seien die Einzelfälle zu unterschiedlich. Experten vermuten jedoch, dass sich Einsparungspotentiale durch das neue Berechnungsverfahren des Kreises ergeben. Biisher gilt das Prinzip der Bildung des Produkts von Grundmiete und Betriebskosten (= Bruttokaltmiete). Davon soll nun abgewichen werden und die Angemessenheit von Grundmiete, Betriebskosten und Heizkosten jeweils einzeln bestimmt werden.

Neue Sozialwohnungen

Alle sind sich einig, dass im Kreis Kleve neue Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Angesichts der Wohnungsknappheit bei preiswerten Wohnungen scheint dies dringend geboten. Zugang zu Sozialwohnungen haben Personenkreise mit geringem Einkommen. Dies betrifft bspw. auch StudentInnen (Kleve), Flüchtlinge, WohngeldbezieherInnen sowie BezieherInnen von HART IV- und Sozialhilfeleistungen.

Miete vom Munde absparen?

Es ist davon auszugehen, dass  BezieherInnen von HARTZ-IV- und Sozialhilfeleistungen sowie Asylbewerberleistungen ca. 3/4 des Personenkreises ausmachen, die aufgrund ihres knappen Budgets für die Zuweisung von Sozialwohnungen infrage kommen. Wenn diese Personenkreise aber durch die zu knappen Mietrichtwerte des Kreises Kleve für den Bezug von neuen und energiesparenden Sozialwohnungen ausgeschlossen werden, stellen sich Die GRÜNEN die Frage, für Wen denn die Sozialwohnungen gebaut werden sollen.

Hier bliebe nur noch die Möglichkeit, dass sich SozialleistungsbezieherInnen die zu teueren Mieten aus den knappen Regelsätzen "vom Mund absparen". Ist das das Kalkül des Kreises Kleve bei den nächsten Einsparungen im Kreishaushalt und den Haushalten seiner angehörigen Städte und Gemeinden?
Anbei die Ausführungen des Landrates bzw. seiner Verwaltung im Wortlaut.
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Das Schreiben des Kreises Kleve vom 29.10.2015

DER LANDRAT
Ihre Anfrage vom 21.10.2014;
Kosten der Unterkunft


Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor ich auf die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage vom 21.10.2015 im Detail eingehe, möchte ich zunächst folgendes ausführen:

Sie führen aus, dass viele Jobcenter dazu übergehen, sog. „schlüssige Konzepte“ zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB ll/SGB XII zu entwickeln.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 SGB II). Dem Kreis Kleve als zuständiger Leistungsträger für die Kosten der Unterkunft und Heizung obliegt es, den unbestimmten Rechtsbegriff der angemessenen Miete unter Beachtung der Rechtsprechung auszufüllen. Die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB ll/SGB XII geschieht auch im Kreis Kleve nach einem schlüssigen Konzept, das bereits mehrfach aktualisiert wurde. Die Details zur Herleitung der Angemessenheitsgrenzen und die entsprechenden Anwendungsrichtlinien hat der Kreis Kleve auf seiner Internetseite (https://www.kreis-kleve.de/de/fachbereich4/arbeitshinweise-sgb-ii/) veröffentlicht.

Die einzelnen Punkten Ihrer Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:

1.  Plant der Kreis Kleve die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB ll/SGB XII? Welches Institut wird ggf. mit dem Konzept beauftragt und wie lautet der genauere Auftrag und wann soll ein Konzept in Kraft treten?

Die Regelungen zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Kreis Kleve unterliegen der regelmäßigen Aktualisierung. Sie basieren auf der Arbeitshilfe „Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II“ des Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und sollen in der Praxis Hilfestellungen geben, die Vorschriften gesetzeskonform anzuwenden und die entscheidungserheblichen Voraussetzungen zu beachten. Örtliche Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt sowie Entwicklungen der gerichtlichen Entscheidungspraxis haben eine Überprüfung der Mietobergrenzen für den Kreis Kleve erforderlich gemacht. Daher wurde die Firma empirica AG mit der Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft gemäß. § 22 SGB ll und § 25 SGB Xll nach einem schlüssigen Konzept im Kreis Kleve beauftragt. Eine Erstauswertung liegt vor. Ziel der vorliegenden Analyse durch die Firma war es, Transparenz über die Höhe und Streuung der aktuellen Mieten an den lokalen Wohnungsmärkten im Kreis Kleve zu schaffen und auf dieser Basis nachvollziehbar und systematisch Richtwerte für angemessene Kosten der Unterkunft abzuleiten.

Aufbauend auf die Herleitung der neuen Mietobergrenzen werden die Richtlinien zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung im SGB II des Kreises Kleve überarbeitet. Derzeit befinden sich die Richtlinien in der internen Abstimmung. Ein Inkrafttreten ist zum 01.01.2016 geplant.

2. Ist geplant, in einem neuen „schlüssigen Konzept“ von dem bisherigen Prinzip der Bildung des Produkts von Grundmiete und Betriebskosten (= Bruttokaltmiete) abzuweichen und die Angemessenheit von Grundmiete, Betriebskosten und Heizkosten jeweils einzeln zu bestimmen.

Ja.

3. Warum werden schon jetzt die ab 01.07.2015 gültigen Werte des neuen Mietspiegels der Stadt Goch nicht in die Arbeitshilfe des Kreises Kleve zur Umsetzung des § 22 SGB II übernommen?

Die aufgrund des neuen Mietspiegels zum 01.07.2015 abstrakt angemessenen Werte für das Gebiet der Stadt Goch werden derzeit eingearbeitet.

4. Ist es geplant den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und/oder die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände oder andere Institutionen beratend hinzuziehen?

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziales wird in jeder Sitzung über aktuelle Entwicklungen zum Rechtsbereich des SGB II informiert. Ein Bericht über die Entwicklungen im Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung ist für die Sitzung am 24.02.2016 vorgesehen. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach § 116 SGB XII werden die sozial erfahrenen Personen vor Inkraftsetzung der überarbeiteten Richtlinien zu den Bedarfen von Unterkunft und Heizung gehört. Darüber hinaus wird zur Einführung der neuen Mietobergrenzen eine verstärkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgen.

5. Bei wie vielen Bedarfsgemeinschaften erwartet der Kreis Kleve nach der Umsetzung des neuen schlüssigen Konzepts Kostensenkungsaufforderungen wegen ungemessener Kosten der Unterkunft und Heizung? Wie hoch ist die Einsparung, die im Haushalt des Kreises Kleve bei den Positionen „Kosten der Unterkunft und Heizung“ im SGB II sowie im SGB XII erwartet wird?

Zu einem Kostensenkungsverfahren und einer temporären Übernahme unangemessener Unterkunftskosten kommt es, wenn die tatsächlichen Unterkunftskosten über der Angemessenheitsgrenze liegen, keine hinreichenden Gründe für ein Abweichen vom Richtwert vorliegen und angemessener Wohnraum verfügbar ist. Darüber hinaus muss eine Absenkung der unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Einen Datenabgleich, der alle betroffenen Bedarfsgemeinschaften mit hinreichender Genauigkeit identifiziert, gibt es nicht. Entsprechend ist eine Berechnung möglicher finanzieller Auswirkungen nicht möglich.

Die Festlegung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft nach einem schlüssigen Konzept kann nicht nach finanziellen Erwägungen gesteuert werden.

Grundlage des Vorgehens der Firma empirica ist,eine Analyse vorzunehmen, deren Ziel es ist, Transparenz über die Höhe und Streuung der aktuellen Mieten an den lokalen Wohnungsmärkten im Kreis Kleve zu schaffen und auf dieser Basis nachvollziehbar und systematisch Richtwerte für angemessene Kosten der Unterkunft abzuleiten. Kern der Wohnungsmarktanalyse ist die aktuelle Mietstruktur verfügbarer Wohnungen im Kreis Kleve, aus der Richtwerte abgeleitet werden, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verfügbarkeit als angemessene Nettokaltmieten im unteren Wohnungsmarktsegment gelten können. Es handelt sich um systematisches Vorgehen, das inzwischen in zahlreichen Nachbarkreisen und weiteren Kommunen in Deutschland angewendet wird und sich in der Praxis gut bewährt hat. Es erfüllt zudem die Anforderungen der weiterentwickelten Rechtsprechung des Bundesozialgerichts an ein schlüssiges Konzept.

Mit freundlichen Grüßen

Spreen

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Materialien

Der Fragenkatalog der Grünen Kreistagsfraktion und die Antwort des Landrates vom 29.10.2015 als pdf-Dokument zum Download

Die Arbeitshinweise des Kreises Kleve im Internet

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Die Arbeitshinweise des Kreises Kleve zum Download

Arbeitshilfe des Kreises Kleve "Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II" , Stand 04/2015