Die Entscheidung zum Rathaus – Das Ende eines langen Weges

Nach langem Ringen um die Sanierung des Klever Rathauses hat jetzt der Klever Rat mehrheitlich den vorgelegten Plänen des Investors Erich Tönnissen zugestimmmt.


Der beschlossene Entwurf der Firma Erich Tönnissen – Foto: Stadt Kleve

Habemus Rathaus!

Dreieinhalb Jahre nach der Bürgerentscheidung zur Rathaussanierung, haben die Politiker sich am Mittwochabend für den Entwurf von Erich Tönnissen entschieden. 11,591 Millionen Euro soll das Haus kosten
Auf den ersten Blick sieht das neue Klever Rathaus wie eine größere Hauptverwaltung der Sparkasse aus. Schnörkellos und einfach wirkt auf den präsentierten Bildern die Fassade. „Es ist kein Prachtbau“, betonte Baudezernent Jürgen Rauer gestern bei der Vorstellung gleich mehrfach. „Es ist ein Zweckbau, nüchtern und sachlich. Ein gut funktionierendes Verwaltungsgebäude.“ Genauso habe man es haben wollen.

Bürgermeister Theo Brauer wirkte gestern sehr erleichtert. Freudestrahlend bedankte er sich nach der Ratssitzung bei vielen Stadtverordneten für die Abstimmung. Von den 46 Ratsmitgliedern haben 41 mit Ja gestimmt. Fünf Ratsherren lehnten die Pläne ab – es war die Fraktion der FDP. Theo Brauer: „Ich bin sehr glücklich, endlich ein Bürgerhaus zu haben, ein Haus für Begegnungen. Wir erfahren eine neue Denke, einen neuen Zeitgeist.“ Er hofft, dass das Haus noch vor seiner Pensionierung fertig sei.

Der Zeitplan ist straff. Vor den Sommerferien (1. Juli) oder spätestens kurz danach soll die Verwaltung bereits in das Alltours-Gebäude an der Landwehr umgezogen sein. Danach werde sofort mit den Abrissarbeiten begonnen. Im Sommer 2015 soll das Rathaus fertiggestellt sein.

Kleve Marketing zieht ins Rathaus

Den Zuschlag hat jetzt die Firma Erich Tönnissen erhalten. Der Klever Bauunternehmer soll das Haus zu einem „Pauschalfestpreis“ in Höhe von 11,591 Millionen Euro errichten. Die Außengestaltung des Geländes ist in dem Preis nicht enthalten. Gemeinsam mit dem Bieter habe man sehr detailliert über jede Steckdose und jedes LED-Licht verhandelt. „Die Funktionalität des Rathauses wurde sehr intensiv begutachtet. Es gibt nur sehr wenige Details, die man noch verbessern kann“, sagte Jürgen Rauer.

Das Rathaus wird eine Tiefgarage haben. Kleve Marketing wird an der Kopfseite zum Koekkoekplatz untergebracht. Auch das Bürgerbüro und das Standesamt werden im Erdgeschoss einen Platz bekommen. Der Ratssaal sei sehr groß, so Rauer und könne mit einzelnen Sitzungsräumen kombiniert werden, so dass auch größere Besuchermengen untergebracht werden können. Das Plenum könne dann nicht nur für die politische Arbeit genutzt werden, sondern auch für andere Veranstaltungen.

60 Prozent Energieeinsparung

Das neue Rathaus wird günstiger als ursprünglich gedacht. Bestätigte Kämmerer Willibrord Haas noch im Juli 2011 eine Investitionssumme von 12,5 Millionen Euro, wird es jetzt gut eine Millionen Euro günstiger werden. Und das mit einem verbesserten Energiestandard. Denn das Klever Rathaus soll ein so genanntes energetisches „Passivhaus“ werden. Die Energieeinsparung betrage fast 60 Prozent, erklärte Jürgen Rauer. Damit ließen sich die Energiekosten von 60 000 auf 20 000 Euro im Jahr senken.

Dass Kleve von der Entscheidung der Vergabekammer vom 4. Oktober 2011 im Nachhinein profitiert hat, wollte die Verwaltung gestern nicht bestätigen. Damals hatte die Kammer den verbliebenen Bietern die Möglichkeit zugestanden, ein neues Angebot abgeben zu können. Kämmerer Willibrord Haas sagte gestern hierzu: „Wir wollen bis zum Schluss einen Wettbewerb haben und das haben wir erreicht.“ Auch der Klever Rechtsbeistand Dr. Peter Kamphausen sagte: „Das Ergebnis ist ein sehr gutes. Bis zum Schluss konnte es von zwei Bietern begleitet werden.“ Das Angebot des Unternehmens Ten Brinke konnte nicht gewertet werden.
Der endgültige Zuschlag für das Rathaus wird nach einer Beschwerdefrist von 15 Tagen erteilt.

Quelle: NRZ Kleve, Andreas Gebbing 06.02.2013
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NRZ-Kommentar von Andreas Gebbing

Ganz einfach: Ein Haus mit Fenstern und Türen!

Dreieinhalb Jahre ist es jetzt her, als die Bürger der Stadt Kleve bei der Europawahl am 8. Juni 2009 für die Variante C, die Renovierung des Rathauses, im Werkstattverfahren gestimmt haben. Dreieinhalb lange Jahre waren das für den Bürgermeister, seine Verwaltung und die Politik, die in einem äußerst umständlichen Vergabefahren vielen Höhen und Tiefen durchleben mussten. Nach der gestrigen Präsentation im Rathaus stellt sich der Beobachter durchaus die Frage: War dieses komplizierte Hin und Her überhaupt notwendig? Brauchte es ein rechtlich offenbar so kompliziertes Verfahren, bei dem am Ende nur noch die Juristen (hoffentlich) verstanden haben, worum es im Detail geht?

Zwischenzeitlich – im Oktober 2011 und im Februar 2012 – dachte man gar: Jetzt haben sich die Rathausstrategen selbst ausgeknockt und sind über ihre eigenen Fallstricke gestolpert.

Der präsentierte Entwurf für das Rathaus kommt jetzt ohne viel Hokuspokus daher. Wunderbar! So sollte es für eine Kleinstadt, wie Kleve sie nun mal ist, auch sein: Ein Haus mit Türen und Fenstern, einer sehr guten Wärmedämmung und guter Heizanlage. Ganz einfach. Man ist geneigt zu behaupten, dass so eine einfache Bauweise auch ohne dieses komplizierte Vergabeverfahren möglich gewesen wäre.

Enfin – das ist Schnee von gestern. Kurios bleibt nach wie vor, dass der Bieter Ten Brinke angeblich seine Unterlagen ein paar Minuten zu spät eingereicht haben soll. Ein Fauxpas? Oder vielmehr ein geschickter Zug? Diese Fragen blieben gestern noch offen. Denn weitere Details, über die Bauausführung und mögliche Kooperationen des Gewinners Tönnissen werden erst nach einer Einspruchsfrist von 15 Tagen bekannt gegeben.
Andreas Gebbing NRZ 05.02.2013

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Die Ratsleute haben ent­schieden. Die NRZ befragte die Fraktionschefs.

Stellungnahme der Ratsfraktionen

Arbeitsplätze und Steuern

"Wir sind sehr froh, nach einer holprigen Strecke eine gute Lösung zu haben", sagt für die CDU Jörg Cosar. "Wir haben ein besseres Ergebnis erzielt, als es noch vor zwei Jahren möglich war – allein schon, dass die Unterbrin­gung der Mitarbeiter in der Bauzeit jetzt im Alltours-Gebäude möglich ist. Wir wollten eine moderne Stadt mit modernem Rathaus. Diese Lö­sung ist ausgesprochen bürgernah, wollten doch 60 Prozent im Werk­stattverfahren Variante C.
Unbenommen ist, das man in heuti­ger Zeit vielleicht anders darüber denken würde, aber man muss einen Prozess zu Ende bringen. Dies ist ein akzeptabler Preis für ein Passivhaus. Dass es einen Kle­ver Investor getroffen hat, ist auch von Vorteil für Arbeitsplätze und Steuern."

SPD, Alexander Frantz: „Es ist das Ende eines langen Abwägungs­prozesses, der meines Erachtens dem Willen des Bürgervotums von 2009 entspricht. Sie hatten nicht al­lein wegen der veranschlagten sechs Millionen für Variante C ent­schieden. Man wollte das Rathaus sicher auch aus städtebaulichen, gestalterischen und traditionellen Gesichtspunkten hier am Platze haben. Zwar ist die Fassade nicht traditionell, aber das muss man in Kauf nehmen. Anregungen von Ratsmitgliedern sind in der Ent­scheidung und werden im Ausführungsprozess berücksichtigt, viel­leicht den Eingangsbereich noch zu optimieren."

Grün
e, Hedwig Meyer-Wilmes: „Es ist die bestmögliche Lösung nach einem langen, oft dramati­schen Weg. Im Nachhinein haben wir Kosten gespart – so ist wohl auch der Dank der Stadt an Firma wird hell und funktional von in­nen, von außen schlicht. Es passt zur Architektur von Hochschule und Studentenwohnheim."

FDP
, Daniel Rütter: „Es ist die schlechteste Lösung, die wir finden konnten, ökonomisch und städte­baulich, das Rathaus an der jetzi­gen Stelle zu lassen. Die Kosten für zwei Jahre Unterbringung wären überflüssig – man hätte das All­tours-Gebäude auch als neues Rat­haus durchplanen können zur Hälfte des Preises. Vom Werkstatt­verfahren ist doch nichts übrig ge­blieben bis auf den Standort, den Querriegel Rathaus. Sinnvoller wä­re ein Minoriten-Viertel gewesen, das ist nie richtig diskutiert wor­den."

Offene Klever, Paul Zigan: ,Wir haben uns schwer getan, wollten ja die Variante B, die zehn Millione n gekostet hätte. So sind wir mit den 11 Millionen doch zufrieden. Alle unsere Fragen wurden beantwor­tet, so haben wir mit Hängen und Würgen zugestimmt. In Sachen Gestaltung bekommt dass neue Rathaus sicher keinen ersten Preis. Aber der Anstrich muss ja nicht Weiß sein".

Astrid Hoyer-Holderberg, NRZ 07.02.2013
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