Flughafen: Grünes Veto für Shopping-Tour des Landrates

„Keinen Blanko-Scheck für den Landrat bis 2016“ fordern die Grünen für die nächste Kreistagssitzung am 25.02.2011. In einem fünfseitigen Antrag begründen sie, warum aufgrund der Fülle an ungeklärten Fragen zur Finanzlage des Flughafensder Kreis auf keinen Fall Gesellschafter des Flughafens werden soll.

Pressemitteilung vom 21.02.2011

Unausgegoren und rechtswidrig

Für „unausgegoren und rechtswidrig“ halten die GRÜNEN im Kreistag die Beschlussvorlage des Landrates für das weitere Vorgehen zum Flughafen Niederrhein in Weeze. Bekanntlich will Landrat Spreen die Schuldzinsen des Flughafens in Millionenhöhe stunden und gleichem Maße Anteile am Flughafen übernehmen.

Zentrale Kenndaten fehlen

Ein solch weitreichendes Unterfangen muss nach Auffassung der GRÜNEN vernünftig begründet werden. In den Unterlagen für die Kreistagsabgeordneten fehlen aber die zentralen Kenndaten zur wirtschaftlichen Entwicklung des Flughafens. In einem fünfseitigem Antrag für die Kreistagssitzung am 24.2.11 begründen die GRÜNEN ausführlich ihre Bedenken und Kritikpunkte.

Kein Blankoscheck

Besonders kritisch sehen die GRÜNEN die Absicht des Landrates, sich alle weiteren Maßnahmen und Schritte pauschal absegnen zu lassen. Der Beschlussvorschlag der Verwaltung eröffnet dem Landrat weitreichende Befugnisse, unter Ausschluss der Kontrollrechte des Kreistages.  „Einen solchen Blankoscheck bis zum Jahre 2016 halten wir für rechtswidrig. Der Kauf von Anteilen eines Flughafens gehört keineswegs zu den laufenden Geschäften der Verwaltung“ so die Fraktionsvorsitzende Ute Sickelmann und Pressesprecher Thomas Velten.

Landrat im roten Kielwasser

Als „Akt der Hilfslosigkeit“ bewerten die GRÜNEN den Anteilkauf. Jahrelang hatten sich CDU und FDP mit Händen und Füßen gegen einen Anteilskauf gewehrt. „Privat vor Staat“ war ihre Maxime. Nur die SPD hatte gefordert, die öffentliche Hand solle bis zu 51% der Anteile des Flughafens übernehmen. „Jetzt bröckelt die Zustimmung in der CDU, plötzlich muss der Landrat im roten Kielwasser segeln“, kommentiert Ute Sickelmann die Wende des Landrates.

Vier für Ryanair
Flughafeneigner Buurmann, Ryanair-Chef O´Leary, Landrat Spreen, Aiportleiter van Bebber
(von links) – Foto: RP online

Dokumentation des Antrages an den Kreistag

Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Kleve

An den
Landrat des Kreises Kleve
Herrn Wolfgang Spreen
im Hause                                                                                                                 

                                                                                          Kleve, den 18.02.2011
                                                                                         
Sitzung des Kreisausschusses am 24.2.2011,
Sitzung des Kreistages am 24.2.2011
TOP 4 Kreisausschuss, TOP 10 Kreistagssitzung

Flughafen Niederrhein GmbH

Antrag zur Tagesordnung

Sehr geehrter Herr Landrat,
die Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN beantragt,
a) den Tagesordnungspunkt 4 der Kreisausschusssitzung und den Punkt
    10 der Kreistagsitzung vom 24.02.2011, nicht öffentliche Sitzung, von 
    der Tagesordnung zu nehmen.
b) namentliche Abstimmung über den Antrag auf Vertagung

Begründung:
In unserer Fraktion besteht ein erheblicher Beratungsbedarf, weil die zu treffende Entscheidung für uns mit unübersehbaren Auswirkungen behaftet ist.
Die überaus dürftige, wenig informative und viele Fragen offen lassende Vorlage der Verwaltung ist nicht geeignet, eine der Tragweite des Beschlusses angemessene Entscheidung zu treffen.
Den Mitgliedern des Kreistages und der Fraktionen  steht von Seiten des Landrates Landrat ein Anspruch auf angemessene Unterrichtung über die Gegenstände anstehender Kreistagsentscheidungen zu. Der Landrat ist bei umfangreichen und schwierigen Entscheidungsgegenständen oder Angelegenheiten von größerer Bedeutung (z.B. Haushalt) gehalten, den Kreistagsmitgliedern und Fraktionen schon im Vorfeld schriftliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Der Anspruch ergibt sich aus der Stellung der Kreistagsmitglieder und Fraktionen im Prozess der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung des Kreistages. Nur auf einer hinreichenden Informationsgrundlage können die Kreistagsmitglieder sich wirksam in den Entscheidungsprozess des Kreistages einbringen. Ähnliches gilt für die Kreistagsfraktionen. Auch sie sind nur dann in der Lage, ihre Aufgabe zur Mitwirkung bei der Willensbildung und Entscheidungs-Findung im Kreistag zu erfüllen, wenn sie über die Gegenstände anstehender Kreistagsentscheidungen angemessen unterrichtet sind.
Die knapp drei Seiten der Vorlage, die sich überwiegend mit bereits bekannten und für die eigentliche Entscheidungsfindung nicht hilfreichen Ausführungen beschäftigt, sind für eine Entscheidung unzureichend. Aussagen über den Zustand der FN (…) sind nicht dazu geeignet, dass sich die Mitglieder des Kreistages ein fundiertes Bild über die finanzielle Situation der FN GmbH machen könnten.
– Wo sind die schriftlichen Prognosen, dass der Airport „auch weiterhin gute
  Wachstumspotenziale bietet“ und wer hat sie erstellt? 
– Welche Planungsprämissen liegen diesen Prognosen zugrunde?
– Wie sollen sich die Mitglieder des Kreistages ohne Kenntnis dieser Unterlagen
  ein eigenes Bild von der Plausibilität der Planungsrechnungen machen?
Es fehlt die Information/Vorlage des Jahresabschlusses für 2009. Die dazu öffentlich zugänglichen Informationen sind unvollständig und daher lediglich bedingt aussagekräftig. Auch ein Einblick in den vorläufigen Jahresabschluss 2010 sowie der Entwurf des Lageberichtes und damit eine Dokumentation der Entwicklung im vergangenen Geschäftsjahr ist unseres Erachtens für die weitere Entscheidungsfindung dringend geboten.
Ein Angebot, die Kreistagsmitglieder und die Fraktionen durch eine Fachfrau oder einen Fachmann über den Inhalt des Jahresabschlusses informieren zu lassen, um Hintergründe aufzuklären, Erläuterungen zu geben und Fragen zu beantworten wurde vom Landrat nicht unterbreitet.
Noch schwerwiegender für eine Entscheidung ist die Tatsache, dass der Landrat auf die Darstellung jeglicher Auswirkungen einer Entscheidung nicht eingeht.
Das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung von zu übertragenen Geschäftsanteilen bleibt völlig im Dunklen. Die Darstellung der Wirkungen auf den Haushalt des Kreises ist unzureichend. Ob es sich tatsächlich um einen schlichten „Aktivtausch“ handelt hängt nämlich schlussendlich von der Wertfindung hinsichtlich der zu übertragenden Anteile ab, die durch geeignete Gutachten zu unterlegen sind.
Dass diese den Mitgliedern des Kreistages ebenfalls zugänglich gemacht werden müssen, ist aufgrund der Tragweite der anstehenden Entscheidungen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Daneben sind die bislang in einem Nebensatz abgehandelten Wirkungen auf die Finanzrechnung des Kreises – auch für den Fall nicht auszuschließender fortgesetzter Umwandlungen von Forderungen in Anteile – in quantitativer Form offenzulegen.
Welche Wirkungen ergeben sich ggf. auf die Höhe der Kreisumlagen?
Folgende Fragen stellen sich der grünen Kreistagsfraktion:
– Wer wird an wen wie viele Geschäftsanteile zu welchem Preis übertragen?
   Konkret: Wie soll der Tauschvorgang ablaufen? Während die Forderungen des Kreises (bzw. der EEL)  
  gegen die FN bestehen, stehen die Anteile im Eigentum der Flughafen Niederrhein Holding GmbH. Wie wird
  hier ein Tauschvorgang vollzogen, der neben dem Kreis/EEL und der FN zwangsläufig Dritte
  einschließen muss?
– Wer und auf welcher Grundlage werden zu übertragene Geschäftsanteile bewertet?
– Bis zu welcher Größenordnung will der Landrat Geschäftsanteile kaufen?
– Darf Landrat das Geschäft überhaupt tätigen oder ist das vielmehr dem Kreistag vorbehalten, da es sich
   offensichtlich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt?
– Welche Auswirkungen wird ein Einstieg des Kreises bezüglich der kreiseigenenDarlehnsforderungen gegen
   die FN haben? Droht ggf. eine Schlechterstellung der EEL für einen nicht auszuschließenden Insolvenzfall?
–  Verliert der Kreis bei einem „sogenannten Einstieg“ als Miteigentümer seine weit gehenden Einflussmöglichkeiten in die FN? Ist der Kreis Kleve besser oder schlechter gestellt als Eigentümer von Gesellschaftsanteilen?  
– Ist eine Beteiligung am und das Betreiben des Regionalflughafens Weeze durch den Kreis Kleve rechtskonform?
– Sind die Eigentümer auch in Zukunft bereit, die jetzt angestrebte Regelung des Tausches „Anteile gegen Geld“ mitzutragen?
– Wo steigt der Kreis Kleve ein, was kauft der Kreis?

Der Fragenkatalog ließe sich fortsetzen…

In der Vorlage berichtet die Verwaltung, dass zur Finanzierung neuer Investitionen der FN GmbH die grundsätzliche Zustimmung eines Bankenkonsortiums vorliegt. Wir fragen:
Warum ist die schriftliche Zustimmung des Bankenkonsortiums nicht der Beschlussvorlage beigefügt?
Mit Banken macht man keine „Handschlag-Verträge“, sondern trifft schriftliche Vereinbarungen. Warum steigen die Banken nicht selber ein und erwerben Geschäftsanteile, bzw. warum nutzt die FN bestehende Kreditlinien nicht, um die Forderungen des Kreises bzw. der EEL zu bedienen?
Vereinbarungen über Schuldendienst und Tilgung werden bei Darlehen üblicherweise in schriftlichen Übersichten festgehalten.
Warum sind diese Unterlagen nicht beigefügt, damit sich der künftige Gesellschafter Kreis Kleve einen Überblick über die Verpflichtungen und Risiken der Gesellschaft verschaffen kann?
Die Flughafen Niederrhein GmbH hat nach Darstellung des Landrates ursprünglich beabsichtigte Investitionen zunächst zurück gestellt.
Wir fragen: Wo ist die Liste der Investitionen, die zurückgestellt werden?
Der künftige Gesellschafter Kreis Kleve muss prüfen und entscheiden können, ob dies sinnvoll ist, ob die Zurückstellungen vielleicht nicht weitreichend genug sind?
Welche Wirkungen hat der durch zusätzliche Investitionen ausgelöste Finanzbedarf auf die Fähigkeit der FN zu Bedienung der Forderungen des Kreises?
Angeblich hat die Geschäftsführung der Flughafen Niederrhein GmbH sowie der Airport Niederrhein Holding GmbH als Gesellschafter ein Angebot unterbreitet, wie ein mögliches Ausbleiben von Zinszahlungen kompensiert werden könnte.
Warum ist dieses schriftliche Angebot nicht der Vorlage beigefügt? Wenn es schriftlich vorliegt, gehört es zur Vorlage. Wenn es nur mündlich vorliegt, ist das Angebot irrelevant.
Handelt es sich um die Gründung einer Gesellschaft auf Verdacht? Das macht kein vernünftiger Kaufmann…
Zum Abschluss soll der Landrat ermächtigt werden, eine Reihe vertraglicher Regelungen zu treffen.
Wir fragen und wollen vor der Entscheidung wissen, welche Detailfragen und  vertragliche Regelungen das sind? Stattdessen soll lapidar und per Grund-satzbeschluss dem Landrat bis zum Jahr 2016 !!! ein  „Blanko-Scheck“ erteilt werden.  Unter Ausschaltung der politischen Gremien wird der Landrat, Zitat: „ermächtigt…., alle zur Umsetzung dieser Regelung notwendigen Schritte vorzunehmen, entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu treffen und dem Stundungsantrag …. zu entsprechen.“
Welche Schritte sind notwendig?
Welche vertraglichen Vereinbarungen sind zu treffen?
Zu prüfen ist, ob der Landrat überhaupt „ermächtigt“ werden kann/darf, diese Regelungen, Schritte, Vereinbarung etc. vorzunehmen bzw. zu treffen?
Wenn der Kreis Kleve Gesellschafter werden soll, dann handelt es sich eben nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung.
Eine solche weitreichende Entscheidung obliegt dem Kreistag.
 
Der Kreis Kleve soll Geschäftsanteile an der FN übernehmen. Mit dem neuen  Gesellschafter Kreis Kleve muss ein GmbH-Vertrag in neuer Fassung aus der Konsequenz einer Übernahme geschlossen werden. Warum liegt dieser Vertrag dem Kreistag nicht vor?
Oder handelt es sich hier heute um einen Vorratsbeschluss, mit dem er Landrat alleine agieren kann?
Verhandeln kann der Landrat, aber über das Ergebnis seiner Verhandlungen muss im vorliegenden Fall der Kreistag in Kleve entscheiden, weil es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt.
Die Kreistagsmitglieder und die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN sehen sich außer Stande eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. Die Beschluss-vorschläge sind nicht hinreichend begründet, die Auswirkungen einer Ent-scheidung Pro oder Kontra bleiben im Dunkel und und viele Fragen sind unbeantwortet.
Das ist keine „angemessene Unterrichtung über die Gegenstände anstehender Kreistagsentscheidungen“ so wie die Grüne Fraktion, die Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) und das OVG Koblenz es fordern. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil des OVG Koblenz vom 01.06.2010 – 2 A 11318/09  und NVwZ-RR 1/2011 S. 31.
Ein Beschluss über die heute vom Landrat vorgelegte Vorlage ist nach unserer Auffassung aus den oben angeführten Gründen rechtswidrig und würde einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.
Dabei ist es aus unserer Sicht unerheblich, ob man der Beschlussempfehlung folgt oder nicht.
Fazit:

Herr Landrat, ziehen Sie Ihre Vorlage zurück!
Verhandeln Sie mit der Flughafen Niederrhein GmbH sowie mit der Airport Niederrhein Holding GmbH. Dazu benötigen Sie keinen Beschluss des Kreistages.

Bereiten Sie alle Unterlagen vor und legen Sie diese den Mitgliedern des Kreistages und den Fraktionen in schriftlicher Form, vollständig im Sinne einer angemessenen Unterrichtung über die Gegenstände anstehender Kreis-tagsentscheidungen vor.
Der Kreistag kann heute nicht entscheiden, weil Ihre Vorlage unzureichend ist.
Meine Fraktion beantragt zudem namentliche Abstimmung über unseren Antrag auf Vertagung.
Mit freundlichen Grüßen

gez. Ute Sickelmann               i.A. Norbert Panek
Fraktionsvorsitzende              Fraktionsgeschäftsführer

Kopie an: CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, FDP-Fraktion, Fraktion Die Linke

Anmerkung: Der vorliegende Antrag ist die Presseversion (ohne wörtliche Zitate aus der nichtöffentlichen Beschlussvorlage).

Der grüne Antrag als pdf-Dokument

Die Analyse der BI Laarbruch zur wirtschaftlichen Lage des Flughafens Weeze

Grüne: Unterlagen zum Airport reichen nicht aus
(Rheinische Post vom 23.02.2011)